
Alternativen zur Massentierhaltung
In der ursprünglichen Landwirtschaft wurden Hühner und Hennen gemeinsam gehalten. Die sogenannten ‚alten’ Hühnerrassen waren sowohl zuverlässige Legehennen als auch Lieferanten für Hühnerfleisch. Mit der steigenden Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln stieg auch die Nachfrage nach billigen Eiern und Fleisch.
Um der großen Nachfrage ab den 1950er Jahren nachkommen zu können, wurden Hühner für die Lebensmittelindustrie gezielt nach deren Eigenschaften gezüchtet. Man nennt sie heute ‚Hybridhühner’ – das sind Legehennen und Masthühner, die jeweils auf deren maximalen Nutzen herangezüchtet sind, also entweder möglichst viele Eier zu legen oder in kürzester Zeit so viel Masse wie möglich zuzulegen.
Moderne Geflügelindustrie - ein Gewissenskonflikt
Für LandwirtInnen ist die Haltung von Hybridhühnern aus Gebrauchskreuzungen ertragreich und damit wirtschaftlich. In Sachen Nachhaltigkeit und Ethik steht die Geflügelindustrie allerdings unter Druck. Zum Beispiel können solche Zuchtrassen ihre Merkmale nicht auf natürliche Weise vererben. Durch Aufspaltung gehen die Erbmerkmale automatisch verloren. Die nächste Generation kann nur durch neue Züchtung entstehen. Von den Tieren, die das Licht der Welt in einem Brutschrank erblicken, sind 50% männlich. Die männlichen Küken werden keine Eier legen und aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht genügend Fleisch ansetzen. Das macht sie im industriellen Sinne wirtschaftlich unbrauchbar und hat zur Folge, dass jährlich 45 Millionen männliche Küken durch Gas oder Schreddern getötet werden – leider auch in vielen EU-Bio-Betrieben, die Hybridhühner entsprechend den gesetzlichen Mindestanforderungen „ökologisch“ halten.
Der Preis der Hochleistungshühner
Die Hybridhühner benötigen proteinreiche Futtermittel, die nach der BSE-Krise in den 1990er Jahren keine tierischen Bestandteile mehr enthalten dürfen und überwiegend durch Sojabohnen ersetzt wurden. Die Sojabohnen werden meist günstig in Südamerika eingekauft, wo den Anbauflächen oft riesige Flächen an Regenwäldern durch Rodung zum Opfer fallen. Beim Anbau von Erzeugnissen für den Export arbeiten die Landwirtschaftsunternehmen oftmals mit chemisch-synthetischen Unkrautvernichtern wie z.B. Glyphosat, wodurch Böden und Ökosystemen Schaden zugefügt wird.
Ein Hühnerleben ist kurz
Die Lebenserwartung der Hybride bei Legehennen ist auf etwa ein Jahr beschränkt, eine zweite Legeperiode ist zwar möglich, aufgrund der abnehmenden Legeleistung aber unüblich. Masthühner im konventionellen Bereich werden nach etwa vierzig Tagen geschlachtet, in der ökologischen Hähnchenmast erst nach der doppelten Zeit, was höhere Fütterungskosten zur Folge hat und sich auf den Preis für Bio-Hähnchen auswirkt.
Immer mehr VerbraucherInnen wünschen sich Produkte, die unter ethischen und ökologischen Kriterien hergestellt sind. In der Geflügelindustrie können diese bisher in vielen Fällen nicht erfüllt werden.
Zweinutzungshuhn und Bruderhahn-Aufzucht
Was ist ein Zweinutzungshuhn?
In der ökologischen Landwirtschaft gibt es bereits erfolgreiche LandwirtInnen und UnternehmerInnen, die sich für die Zucht sogenannter ‚Zweinutzungshühner’ einsetzen. Wie der Name schon ahnen lässt, sind diese Hühnerrassen sowohl Legehennen als auch Masthühner. Sie sind zwar nicht so hochleistungsfähig wie die oben genannten Hybridhühner, bringen also etwas weniger Ertrag (geringere Legeleistung, weniger Fleischansatz) und benötigen mehr Zeit in der Aufzucht, dafür können sie sich eigenständig reproduzieren und die LandwirtInnen haben die Möglichkeit, langfristig unabhängig von den großen Zuchtkonzernen zu arbeiten.
In Sachen Biodiversität punkten die Zweinutzungshühner aufgrund ihrer Robustheit, denn sie passen sich ihrem Lebensraum an und sind weniger anfällig für Krankheiten, da sie Futter auf natürliche Weise zu sich nehmen (sie finden beim Scharren und Picken auf der Wiese zum Beispiel Würmer und Insekten als Eiweißquelle) und mit Futtermischungen aus regionaler, ökologischer Erzeugung gefüttert werden. Damit stehen Zweinutzungsrassen für den Erhalt von vom Aussterben bedrohten, einheimischen Legerassen.
Was bedeutet Bruderhahn-Aufzucht?
Ein bedeutendes Statement im Bereich der Hühneraufzucht ist die Mast der sogenannten ‚Bruderhähne’. Anstatt die männlichen Küken zu töten, weil sie keine Eier legen und weniger Fleisch ansetzen, als Masthühner, werden sie in den Betrieben zusammen mit ihren weiblichen Geschwistern aufgezogen. Über Subventionen (z. B. Zuzahlung auf die Eier der Legehennen) haben LandwirtInnen begonnen, die Aufzucht der Bruderhähne zu finanzieren und können deren Fleisch später handelsüblich vermarkten.
In diesem Sinne setzen LandwirtInnen mit Unterstützung von VerbraucherInnen ein klares Zeichen gegen das Töten von männlichen Küken und zeigen eine Chance auf, die Geflügelindustrie zukünftig nachhaltiger sowie ethisch und moralisch vertretbarer zu entwickeln. Wirtschaftlich gesehen hat die Bruderhahn-Aufzucht den Nachteil, dass die Brüder einen extrem hohen Futterbedarf haben, was deren Aufzucht in Relation zum Fleischertrag sehr kosten- und rohstoffintensiv macht. Hintergründe zu Bruderhahn-Projekten hier.
Weiterführende Artikel rund um das Thema Geflügel und Zweinutzungshuhn:
https://www.demeter.de/lebensmittel-produkte/eier
Der Unterschied im Eierkarton – Wie kann das Kükentöten gestoppt werden?
https://www.bioland.de/bioland-blog/kuekentoeten-stoppen-der-unterschied-im-eierkarton
Zweinutzungshuhn bei Naturland
https://www.naturland.de/de/erzeuger/betriebszweige/gefl%C3%BCgelhaltung/zweinutzungshuhn.html
Herkunft eines Eis erfahren
https://www.was-steht-auf-dem-ei.de/index.php
Ökologische Tierzucht GmbH
https://www.das-oekohuhn.de/
Artikel aus TopAgrar – Bioland und Demeter erteilen Geschlechtsbestimmung im Ei eine Absage
https://www.topagrar.com/oekolandbau/news/bioland-und-demeter-erteilen-geschlechtsbestimmung-im-ei-eine-absage-12030263.html
Videos zum Thema Hahn und Henne:
Das Zweinutzungshuhn von „Ei Care“
https://www.youtube.com/watch?v=3KUTNDCKh_Y&list=TLPQMzAwNjIwMjBJqMwH75-gJw&index=5
Statt Küken töten: Eier und Fleisch vom Zweinutzungshuhn | Unser Land | BR
https://www.youtube.com/watch?v=K-0qMiSxReY&list=TLPQMzAwNjIwMjBJqMwH75-gJw&index=2
Zweinutzungshuhn: Viele Eier und trotzdem Fleisch | Unser Land | BR Fernsehen
https://www.youtube.com/watch?v=YSA3Fm0lo7k&list=TLPQMzAwNjIwMjBJqMwH75-gJw&index=1
Zurück zum Ursprung – Huhn und Hahn mit Zukunft (Das Zweinutzungshuhn) (Die Biohennen AG)
https://www.youtube.com/watch?v=n_dLlYMBfsM&list=TLPQMzAwNjIwMjBJqMwH75-gJw&index=4
Zweinutzungshuhn vs. Hybridhuhn (3-Sat-Beitrag)
https://www.youtube.com/watch?v=mOfk2wn74Fs&list=TLPQMzAwNjIwMjBJqMwH75-gJw&index=3
Armes Huhn: Vom Frühstücksei zur Wirtschaftsflucht | Doku | ARTE
https://www.youtube.com/watch?v=DnJ9FWJN3-0