„Bienensterben ist ein künstlicher Begriff“ – Im Interview mit Insektenforscher Thomas Hörren

Wildbiene vs. Honigbiene. Wer ist wirklich vom Aussterben bedroht? Eine Frage erhitzt die Gemüter. Und wenn es mal wieder heiß hergeht, dann helfen Fakten und in unserem Fall der Insektenforscher Thomas Hörren, der das Insektensterben 2017 miterforscht, aufgedeckt und das Thema weltbekannt gemacht hatte.

Thomas, was hat es mit dem Bienensterben auf sich?

Im Grunde ist „Bienensterben“ ein inhaltsleerer, künstlicher Begriff, der medial geprägt ist und aus der Imkerei hervorgeht. Honigbienen sind Nutztiere, die bei uns nicht bedroht sind. Wenn man in diesem Kontext vom Bienensterben spricht, spricht man von Herausforderungen in einer Tierhaltungsform, die wiederum auf menschengemachten Problemen beruhen, zum Beispiel durch die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe.

Und was ist mit den wildlebenden Bienen?

Die ursprünglich heimische Biene, eine Unterart der Westlichen Honigbiene, ist ausgestorben. Eigentlich gibt es nur noch kultivierte, gezüchtete Honigbienen. Aber das eigentliche Problem ist ein Verlust von biologischer Vielfalt. Insgesamt leben in Deutschland 560 Bienenarten. Das ist aber nur 1,6% der gesamten Insektendiversität. Eigentlich sind in Deutschland 43.000 Insektenarten heimisch. Da der Begriff auf das Bienensterben begrenzt ist, schränkt er die Debatte ein und ist sogar irreführend.

Wie passt der Begriff Beewashing hier rein?

Beewashing ist eine Form des Greenwashings, eine inkorrekte Nutzung von Umweltthemen, um Aufmerksamkeit zu erregen und einen Wirtschaftsnutzen rauszuschlagen. Gelder aus Nachhlatigkeitstöpfen werden genutzt, um wirtschaftliche Vorteile zu erhalten. Der Erfolg vom Beewashing ist auf eine Schieflage des öffentlichen Verständnisses zurückzuführen, das die Debatte, wie beschrieben, auf das Bienensterben reduziert. Der Bezug zu den realen Problemen geht dadurch verloren.

Was kann ich tun, um dem Insektensterben etwas entgegenzusetzen?

Eine klare Handlungsempfehlung kann ich nicht geben. Was man tun kann, ist sich tiefergehend mit dem Insektensterben auseinanderzusetzen, sich ein lokales Biodiversitätsbewusstsein anzueignen und mal über den Tellerrand zu schauen. Zum Beispiel besucht nur ein kleiner Teil der Insekten Blüten. Es muss also mehr gemacht werden, als die Wiesen zum Blühen zu bringen. Denn der große Teil, die Insekten, die weniger beachtet werden, sind genauso schützenswert. Auch an ihre Bedürfnisse muss gedacht werden.

Ansonsten stehen wir den gleichen Problemen gegenüber wie 2017, als ich und ein Team aus internationalen Wissenschaftler*innen eine Langzeitstudie zum Insektensterben veröffentlich haben. Aber ich merke, dass das gesellschaftliche Verständnis im Wandel ist und immer mehr Menschen wissen, was Biodiversität bedeutet und auch über das Insektensterben Bescheid wissen.

Mehr Input, wie es um unsere heimische Biodiversität steht, bekommt ihr bei unseren Aktionen. Schaut in unseren Veranstaltungskalender und erfahrt mehr!